Eyes & Ears of Europe-Chefin Corinna Kamphausen: "Ein kreatives Hochleistungsjahr" (2025)

Die TV- und Bewegtbild-Landschaft hat ein bewegtes halbes Jahr mit zahlreichen Sport-Großereignissen hinter sich. Traditionell sind das Events, bei denen zumindest die Rechteinhaber eher klotzen als kleckern und in Sachen On-Air-Design eigene Musikstücke entwickeln oder entwickeln lassen, neue grafische Ideen präsentieren und ihre Sendungs-CIs aktualisieren. Jetzt richtet sich der Blick aufs Weihnachtsgeschäft und auf das kommende Jahr. Und weiterhin steht die Frage im Raum: Welchen Platz nimmt die Künstliche Intelligenz in der Produktion ein.

Frau Kamphausen, hinter Ihnen liegt eine intensive Sichtungsphase, in der Sie und Ihre Teams sich mit der Vorbereitung der neuen Award-Show und der Konferenz in München befasst haben. Wie „eckig“ sind Ihre Augen, wie stark rauchen in solchen Tagen die Köpfe?

Wir sichten zunächst im Team alle eingereichten Beiträge auf korrekte Zuordnung zur Kategorie und Vollständigkeit. Dann schließt sich unsere Präsenz-Fachjury-Phase an, in der drei persönliche Meetings unserer jurierenden Mitglieder stattfinden - eines für den Fachbereich Design (2024 bei RTL in Köln), eines für den Fachbereich Digital (2024 beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt) und eines für den Fachbereich Promotion (2024 bei der Agentur BDA in München). Die Präsenz-Fachjurys wählen aus allen Einsendungen drei Nominierte pro Kategorie aus. Danach findet die Online-Jurierung-Phase statt. Aus dem Urteil der Präsenz-Jurys und dem der Online-Jury ergibt sich dann das Endergebnis.

Klingt nach langen Tagen, für die man gutes Sitzfleisch benötigt.

Nun, Sie können sich vorstellen, dass in solchen Sichtungs- und Jurierungsphasen rund um die Uhr Beiträge gesichtet werden, die Diskussionen heiß hergehen und daher auch die Köpfe extrem rauchen. Ich kann nur sagen: Es gab keine Verletzten und wir sind noch bei jeder Diskussion zu einem einverständlichen Ergebnis gelangt. Und in der Conference-Vorbereitung überrollen uns die Themenvorschläge. Der Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf unsere Workflows und Arbeitsgebiete bestimmt momentan so sehr unseren Alltag, dass wir uns vor aktuellen brandheißen Themen und Diskussionen nicht retten können.

Fernsehzuschauer haben allein schon über die Sport-Großereignisse dieses Jahres tolle, international geprägte TV-Bildwelten entdecken dürfen: Wie sehr war die zurückliegende Saison aus Ihrer Sicht auch wirklich eine Art Olymp der Kreativität?

Die sportlichen Großereignisse werden immer auch in einem eigenen Design präsentiert. Es werden eigene Musiken komponiert und neue unique Visual Arts entwickelt. Alle europäischen Sender legen Wert auf einen hochkarätigen Auftritt und investieren darin sehr viel Geld und kreative Kraft. Wir werden in unserer Conference dazu ein paar Cases, besonders auch aus Frankreich, vorstellen. Für unsere Awards haben wir eigens Sport-Kategorien kreiert, die in diesem Jahr wirklich gut bestückt worden sind. Ja, ein Jahr mit vielen sportlichen Großereignissen ist immer auch ein kreatives Hochleistungsjahr.

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Moderiert die Award-Show im Münchner Arri-Kino: Amiaz Habtu - Foto: EEOE/Tim Bruns

Die KI-Revolution rollte derzeit auch über den Kreationsbereich hinweg: Welche Art von Grundstimmung spüren Sie aus der Branche – mehr Angst, Sorge und Bedenken oder Aufbruchseuphorie?

Grundsätzlich ist unsere Branche gerade wieder sehr im Umbruch. Alle zwei Jahre gibt es wieder neue strategische Entscheidungen und umfangreiche Umwälzungen. Die KI-Revolution geht tiefer. Sie tangiert die Basis unserer Jobs - die Basis unserer Gesellschaft. Die Nachfrage nach kompetenter KI-Beratung ist momentan natürlich wahnsinnig hoch. Das kommt uns und besonders unserer Academy, in der wir Professionals an den neuesten Skills und Tools ausbilden, natürlich sehr zu gute. Mittlerweile ist die Branche dort angekommen, dass eine produktive Beschäftigung mit den Künstlichen Intelligenzen als Tools, die unsere Arbeitsweisen und Workflows vereinfachen können, möglich ist. Die anfängliche Euphorie wich also Sorgen und Bedenken und dies ist nun in eine produktive Auseinandersetzung mit den Tools gemündet.

Neue KI-Tools eröffnen ungeahnte Möglichkeiten: In welchen Bereichen der Kreativprozesskette setzen sich die neuen Technologien aktuell am schnellsten durch?

In allen Prozessschritten helfen Künstliche Intelligenzen gerade. Angefangen von Datenanalysen, Recherchen und Brainstormings, über Mood- und Storyboard-Erstellung, Zusammenfassungen von Video- oder Textgrundlagen über Social-Media-Inhalte durch automatisierte Texterstellung und Bildgenerierung, oder SEO (KI-Tools können dabei helfen, Webseiteninhalte zu optimieren, um ein besseres Ranking in Suchmaschinen zu erzielen) bis zur Übersetzung eines gesamten Trailers oder einer gesamten Kampagne. Mit Hilfe von KI kann durch verbesserten Kundenkontakt ein Workflow am Dreh verbessert werden etc. Die gesamte Prozesskette ist also betroffen. Es braucht allerdings seine Zeit, um individuelle Workflows zu entwickeln, die dann zeitsparend eingesetzt werden können, mit dem Ziel mehr Zeit auf die kreative Arbeit verwenden zu können.

Welche Anwendungen beeindrucken Sie aktuell am stärksten?

Ich bin vor allem von der rasanten Geschwindigkeit beeindruckt, mit der meine Kolleg:innen in ihrem Arbeitsbereich lernen, die Tools einzusetzen. Außerdem interessiert mich besonders die juristische Klärung der Urheberrechte.

Maschinen machen (zum Glück) weiterhin meist nur das, was man von Ihnen verlangt: Welche neuen Anforderungen ergeben sich aus dem KI-Ansatz an Konzeption, Planung, Kreativleistung, Umsetzung und Verbreitung?

Egal ob Konzeptioner, Planer, Kreativer, Organisator oder Vertrieb – Jede:r Mitarbeiter:in muss prompten lernen. Es lohnt sich, seinen persönlichen Promptguide zu erstellen. Die einzelnen Gewerke können bei verschiedenen Prozessen unterstützt werden. Der Konzeptioner und Planer verwendet vielleicht ChatGPT als Sparringspartner und im Brainstorming. Eine KI hat keine Schranken im Kopf. Auch wenn ihre Ideen auf den ersten Blick nicht brauchbar sind, wirft sie doch neue Aspekte in ein Brainstorming. Dem Kreativen kann KI bei der Erstellung von Inhalten helfen, etwa durch automatisierte Texterstellung oder Bildbearbeitung. Der Kreative kann KI als Sparringspartner oder für ein erstes Layout nutzen. Die eigentlich kreative Arbeit beginnt aber erst dann. Verbreitung: KI kann große Mengen an Kundendaten analysieren, um z.B. verschiedene Kundensegmente zu identifizieren und zu verstehen. Und die Arbeitsstrukturen müssen so organisiert werden, dass die helfenden Tools wirklich Zeit sparen und damit mehr Raum für den kreativen Prozess geben.

Wo sehen Sie neue Berufsbilder, und was muss man als KI-Designer unbedingt können?

Ich glaube, es muss Menschen geben, die die Projekt-Workflows optimieren – besonders auch für die Designer. Dies muss ein ständiger Prozess sein, da sich die Tools stündlich besser werden. Außerdem wird es Menschen geben müssen, die den Markt nach für den eigenen Bereich wichtigen Tools scannen. Dann müssen eigene Anwendungen geschrieben werden und die KI’s mit eigenen Daten trainiert werden. Als Designer speziell muss man sich auf dem Laufenden halten, welche neuesten Anwendungen bereitstehen. Man muss die wichtigsten Tools beherrschen lernen. Das bedeutet sehr viel ausprobieren. Lernen, wie das eigene Handwerk am sinnvollsten unterstützt werden kann.

Wenn Sie in die Branche hören: Wie groß ist die Verbitterung über Urheberrechtsverletzungen oder die Sorge, wirkliche Eigenleistungen kaum schützen zu können?

Die Sorge ist schon sehr groß, zumal es ja auch prominente Beispiele gibt, bei denen KI generierte Inhalte sehr nah an echten menschlichen Leistungen liegen. Nehmen wir das Beispiel Scarlett Johansson und OpenAI. Einige Internet-User meinten, die weibliche Stimme des Chatbots von OpenAI ähnele der Schauspielerin. Diese hatte 2013 im Film "Her" eine Künstliche Intelligenz namens Samantha vertont. Es gab einen juristischen Streit um die Urheberschaft. Es besteht grundsätzlich die Gefahr, dass eine künstliche Intelligenz ein bestehendes Urheberrecht verletzt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die erstellten Inhalte zu nah an den urheberrechtlich geschützten Werken sind, mit denen die Anwendung trainiert wurde. Besonders Synchronsprecher haben Sorge, dass ihre Stimmen oder sehr ähnliche Stimmen ohne Zustimmung und Vertrag einfach genutzt werden können. Andererseits gibt es jetzt für die Schauspieler die Möglichkeit, ihre Originalstimme unkompliziert in alle Sprachen übersetzen zu können. Sie können ihre Stimme daher vielleicht besser vermarkten.

Wenn Sie auf die bevorstehenden Awards blicken: Was könnten für Sie die wichtigsten neuen Trends sein?

Wir stellen fest, dass immer weniger Wert auf die alltäglichen Formate gelegt wird. Daily Soaps z.B. erhalten nur noch (vielleicht schon bald KI-erzeugte) Trailer. Wohingegen die Investition in besondere Programmhighlights (wie in diesem Jahr die Sporthighlights Olympia und Die Fußball-EM) zu neuen Höhenflügen ansetzt. Hier wird richtig Geld investiert. Es werden neue Hymnen komponiert und aufwendige Drehs organisiert. Es ist eine Freude, diese Kampagnen zu feiern. Und wir stellen schon jetzt fest, dass die Workflows für unsere Kreativen sich verändern. Ich hoffe nur, dass die bessere Effizienz in der Produktion auch tatsächlich langfristig zu mehr Freiheit in der Kreation führt. Und dann erlauben Sie mir noch einen kleinen Werbe-Einschub?

Also gut!

Am sinnvollsten ist es die Trends persönlich am 21. Oktober in der Astor Film Lounge im Arri zu sehen. Hier können Sie Tickets für unsere Awards oder die gesamten EYES & EARS 2024 bekommen. Als Moderator der Award-Show - nach der ganztägigen Konferenz - konnte wir diesmal Amiaz Habtu, bekannt aus der "Höhle der Löwen", gewinnen.

Wie steht es um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschsprachigen Kreativen?

Nun der deutschsprachige Markt war immer einer, der anders funktioniert hat als z.B. der englische oder der französische. Die deutschsprachigen Kreativen sind auf diesem Markt sicher vertreten. Aber natürlich ist der Sprung aus diesem Markt in andere dementsprechend schwierig.

Aus welchen Europa-Regionen kommen aktuell die ungewöhnlichsten Ideen?

Ehrlich gesagt kann ich dies gar nicht so beantworten. Ich habe phantastisch ungewöhnliche Kampagnen-Ideen aus der mutigen Ukraine, aus Frankreich, aus England, aus Spanien und aus vielen anderen Ländern gesehen. Eine meiner Lieblingskampagnen kam von der ARD.

Letzte Frage: Können Sie privat eigentlich überhaupt noch entspannt TV sehen oder streamen, ohne gleich immer ganz genau hinzusehen und quasi „im Dienst“ sein zu müssen?

Oh ja, das schaffe ich noch gut. Aber klar, immer wenn die Werbepause kommt, fallen mir die Programmkampagnen auf, und ich schaue sie mir gerne an. Meine Familie dagegen nutzt sie eher als Aufforderung umzuschalten oder auf die Toilette zu gehen. Beim Streaming kann ich oft stundenlang durch das Angebot surfen, ohne mich zu entscheiden, weil ich die Vorschautrailer so interessant finde.

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